Kunstgalerien müssen ihre Organisationsform überdenken
Zahlen von 1100 Galerien belegen, dass 40 % Verlust machen. Kunstgalerien müssen somit ihr Geschäftsmodell überdenken.
Dies fordert eine St. Galler Dissertation, geschrieben von Magnus B. Resch
In Galerien sind vielerorts Manager gefordert
Kunstgalerien müssen ihre Organisationsform überdenken. Eine Feldstudie der Universität St. Gallen liefert wissenschaftliche Kennzahlen und macht Vorschläge. Magnus B. Resch fasst seine Studie zusammen:
Es war unglaublich: Die Wirtschaft erholte sich gerade erst, als Alberto Giacomettis Bronzefigur «L’Homme qui marche I» im Februar 2010 für den Rekordpreis von 65 Millionen Pfund versteigert wurde. Eine so eindrucksvolle Leistung fördert den Glauben der Öffentlichkeit an die Stärke des Kunstmarktes: Kunst gilt als hochprofitables Geschäft, dessen Akteure sehr viel Geld verdienen.
Dass dies für die Galerien, die häufig jungen Künstlern den Eintritt in den Kunstmarkt ermöglichen, nur sehr bedingt zutrifft, belegt erstmals eine Studie der Universität St. Gallen, für die bei 1100 Galerien in der Schweiz, Österreich und Deutschland über zwei Jahre hinweg betriebswirtschaftliche Zahlen gesammelt wurden.Anzeige:
Breite Verluste
Die Ergebnisse vieler Kunstgalerien sind erschreckend schwach und liegen weit von den Rekordergebnissen aus dem Auktionsmarkt entfernt. 40 Prozent aller Galerien im deutschsprachigen Raum schreiben Verluste. Gerade einmal ein Fünftel erwirtschaftet einen Gewinn von über 15 Prozent des Umsatzes. Dabei stehen die Schweizer Galerien im Ländervergleich an erster Stelle. 2008 generierten sie mehr Umsatz als ihre Nachbarn aus Österreich oder Deutschland. Während dieser bei einer deutschen Galerie im Schnitt bei 400 000 Euro liegt, können sich die Schweizer Kollegen über 900 000 Euro, also über mehr als das Doppelte, freuen. Noch ansprechender im Ländervergleich sind die Gewinnzahlen.
Während deutsche Galerien unter einer Gewinnmarge von 5 Prozent leiden, liegt die der Schweizer Händler bei stattlichen 10 Prozent. Eine andere Zahl belegt die Schweizer Stärke ebenfalls eindrucksvoll: Während nur 5 Prozent aller befragten Galerien aus Deutschland vor 1980 gegründet wurden, sind es in der Schweiz 14 Prozent. Schweizer Galerien haben ein nachhaltigeres Modell.
Erfreuliche Schweizer Zahlen
Die bessere Situation in der Schweiz hat zunächst mit günstigeren Rahmenbedingungen zu tun: Das Steuersystem ist freundlicher, eine Abgabe an die Künstlersozialkasse entfällt, der Markt ist weniger übersättigt, es gibt schwächere Konkurrenz (vergleicht man beispielsweise Zürich und Berlin), die Kundenbasis ist potenter, die Exporte liegen höher. Das trägt zwar alles zum Erfolg bei, entscheidend ist jedoch, dass Schweizer Galeristen sich deutlich früher als ihre Nachbarn neue Marktfelder erschlossen haben. So verdienen Kunsthändler hierzulande nicht nur mit dem klassischen Galeriegeschäft, sondern sind mit Wiederverkäufen auch im Sekundärmarkt aktiv. Während in Deutschland nur 14 Prozent aller Galerien nicht nur zeitgenössische Werke anbieten, sind es in der Schweiz doppelt so viele. Dabei handeln sie fast ausschliesslich mit Kunst der Moderne und der Nachkriegszeit, die das grösste Marktpotenzial hat.
Die erfreulichen Schweizer Zahlen können allerdings nicht von einem grundlegenden Problem ablenken: Alle befragten Galerien leiden unter veränderten Marktbedingungen. Die sichere Einnahmequelle aus der Mittlerrolle zwischen Sammlern und Auktionshaus ist für sie gänzlich weggebrochen, da der Käufer seine Werke häufig selbst einliefert.
Der Auktionsmarkt trifft den Galeristen auch an anderer Stelle: Ist es ihm einmal gelungen, einen Künstler aufzubauen, können Auktionshäuser diese Exklusivität brechen. Die Preisgestaltung übernimmt dann der Markt. Der Galerist versucht diesen Umsatzeinbruch durch höhere Ausgaben im Primärmarkt aufzufangen: teure Messebeteiligungen, exklusive Lage, event-ähnliche Eröffnungen, mehr Angestellte – ein Teufelskreis.
Galeristen können dieser Herausforderung nur begegnen, wenn sie ihr Geschäftsmodell überdenken. Dazu bieten die Antworten der befragten Händler zwei Ansatzpunkte: Den stärksten positiven Effekt auf den Gewinn hat die Festlegung der Märkte, in denen die Galerie aktiv ist. Den geringsten Einfluss auf den Geschäftserfolg hat bisher das Kommunikationskonzept.
Beide Erfolgsfaktoren sind gemäss der St. Galler Studie zu verbinden: Sie schlägt Folgendes vor: Die erfolgreiche Galerie von morgen gründet ihre Organisation auf drei Säulen, die mit den Werkphasen eines Künstlers übereinstimmen. Sie unterstützt junge Talente, rekrutiert hieraus die Künstler der Galerie und verschafft ihnen den Eintritt in den Sekundärmarkt. Die Kommunikation verfolgt das Ziel, eine Marke aufzubauen. Der Galerie-Name muss ein klares Profil und einen Wiedererkennungswert bieten.
Praxistest erfolgreich
Zur Umgestaltung bedarf es professioneller, gut bezahlter Mitarbeiter, die dem Galeristen bei Kooperationen mit Unternehmen und bei der Kundengewinnung helfen. Um die Kosten aufzufangen, löst sich die Galerie von fixen Mieträumen und öffnet sich einem flexiblen Ausstellungsmodell. Unterschiedliche Orte werden für den Ausstellungszeitraum kurzfristig angemietet. Auch das Bezahlmodell von Künstlern ändert sich. Junge, unbekannte Kunstschaffende bekommen statt der Hälfte nur noch einen Drittel des Verkaufspreises. Bei Erfolg dreht sich das Verhältnis zugunsten des Künstlers.
Ein Praxistest mit drei Fallstudien bei Galerien in Deutschland, Österreich und der Schweiz über mehrere Monate hat ergeben, dass ein solches Geschäftsmodell einen nachhaltig positiven Einfluss hat. Galeristen sind heute durchaus offen für Anpassungen an den sich rasant verändernden globalen Markt. Das war vor vierzig Jahren noch völlig anders. Damals schrieb die Kölner Galeristin Anne Abels: «Unser Geschäft hat einen Nimbus, und den gefährden Sie, wenn Sie über Geschäftliches schreiben.»
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